IT-Vergabe in der Digitalisierungswelle der öffentlichen Hand

10. Januar 2022

PRESSEMITTEILUNG

Die Digitalisierung der Verwaltung ist eine Mammutaufgabe 
Die Digitalisierung der Verwaltung wird im neuen Jahr aufgrund einer Reihe unterschiedlicher Faktoren an Fahrt aufnehmen. Dabei spielen nicht nur die Neuerungen bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) sowie die voranschreitende Bereitstellung von Hardware, etwa an Arbeitsplätzen und Schulen, eine Rolle. Auch wird die Digitalstrategie im Koalitionsvertrag der neuen Regierung höher gewichtet, wobei die digitale Souveränität und Nachhaltigkeit im Lebenszyklus von IT-Komponenten künftig stärker priorisiert werden sollen. Diese Veränderungen führen nicht zuletzt zu einer Erhöhung der Komplexität bei der IT-Beschaffung, der Vertragsgestaltung und der technischen Umsetzung der gewünschten Leistungen. Um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden, die sowohl die Auftraggeber aus der öffentlichen Hand als auch Anbieterunternehmen betreffen, wurden bislang zwischen dem Branchenverband Bitkom und der Arbeitsgruppe EVB-IT sogenannte Ergänzende Vertragsbedingungen für die Beschaffung von Informationstechnik (EVB-IT) verhandelt und einvernehmlich veröffentlicht. 

Die Veröffentlichung der neuen EVB-IT steht kurz bevor 
Da insbesondere bei solchen Produkten und Lösungen, bei denen große amerikanischen Unternehmen eine beherrschende Marktstellung einnehmen, der individuelle Verhandlungsspielraum kleinerer (und auch großer) Institutionen und Organisationen oftmals aufgrund der monopolähnlichen Stellung der großen Anbieter deutlich eingeschränkt ist, sind gemeinsam vereinbarte Vertragsmuster und Vorlagen besonders wichtig und hilfreich. Doch gerade in Bereichen wie Cloud-Leistungen und Softwareentwicklung fehlen bislang ebensolche Vorlagen. Die Veröffentlichung der neuen EVB-IT für Cloud-Leistungen wird daher mit Spannung für die kommenden Monate erwartet. 

Die praktische Umsetzung der neuen EVB-IT bleibt kniffelig 
Es wäre jedoch zu einfach, sich auf allein auf derartige Vorlagen zu verlassen. Denn in der praktischen Anwendung können zahlreiche vertragsrechtliche Risiken auftreten, die im Zweifelsfall von den großen Technologiekonzernen ausgenutzt werden können. Es bleibt abzuwarten, wie insbesondere die sogenannten Hyperscaler, wie Amazon Web Services, Microsoft und Alphabet, nach Veröffentlichung der EVB-IT Cloud am Markt auftreten, wie hoch die Akzeptanz der Vorlagen sein wird und ob nicht gerade die großen Unternehmen versuchen werden, in der praktischen Umsetzung in einzelnen, für sie entscheidenden Punkten abzuweichen. In jedem Fall können Vertragsvorlagen nicht alle kritischen Punkte pauschal lösen. Gerade bei Cloud-Leistungen bestehen Herausforderungen an den Datenschutz, die bislang in vielen Fällen ebenfalls noch nicht zufriedenstellend gelöst werden konnten, beispielsweise wenn es um die Bestimmung des Leistungsortes der Cloud geht. Letztlich liegt ja in der Ortsungebundenheit einer Cloud gerade der gewünschte Vorteil. Wie kann aber rechtlich und technisch sichergestellt werden, dass sich die konkreten Daten physisch nur an bestimmten Orten befinden und nicht etwa durch Virtualisierungstechnologien von Rechenzentrum zu Rechenzentrum übertragen werden? 

Die Digitalisierungswelle schafft neue personelle Anforderungen 
Im Zuge der aktuellen Digitalisierungswelle verändern sich die Rahmenbedingungen für die IT-Beschaffung fortlaufend, was zwangsläufig zu veränderten personellen Anforderungsprofilen auf der Beschafferseite führt. Neben dem vergaberechtlichen Praxiswissen und juristischen Kenntnissen wird in bestimmten Bereichen zunehmend auch ein technisches Verständnis unterschiedlicher Arten von Cloud (private, public oder hybrid) und unterschiedlicher Servicearten (IaaS, PaaS, SaaS etc.) gefordert. Derzeit entstehen in vielen Einrichtungen neue Positionen an den Schnittstellen vormals getrennter Bereiche wie etwa Einkauf, Justiziariat und IT-Fachbereichen. Im Bereich des Softwaremanagements führt die Digitalstrategie zu einer Neuausrichtung des Lizenz- und Software-Asset-Managements (SAM) und einem gestiegenen Interesse an Open Source Software (OSS). An letzterem sind in den vergangenen Jahren jedoch bereits auch große Player der öffentlichen Verwaltung gescheitert. Doch es gibt neue Stimmen, die sagen, dass es für manche Projekte vor wenigen Jahren noch zu früh gewesen sei, nun jedoch die Zeit gekommen sein könnte. 

Open Source-Software als Meilenstein digitaler Souveränität? 
Der berühmte Versuch der Stadt München, für ihre Officeanwendungen nicht Microsoft Office sondern eine Linux-basierte Open Source Software einzusetzen, scheiterte nicht zuletzt daran, dass man sich in diesem Projekt als Einzelkämpfer versuchte. Inzwischen wird für die erfolgreiche Implementierung von Open Sourcen- Projekten eine kollaborative Gemeinschaft aus mehreren Partnern bevorzugt, die das Projekt gemeinsam weiterentwickeln und tragen. Ein solch kollaboratives Open Source- Projekt stellt beispielsweise die Implementierungspartnerschaft Masterportal dar, die im Rahmen unserer Veranstaltung „Zukunftsfelder der IT-Vergabe“ am 17./18.03.22 vorgestellt wird. Die hohe Relevanz von Open Source- Software im Zusammenhang mit digitaler Souveränität wurde indes vor wenigen Monaten erst vom Stadtrat der Stadt München bestätigt. Der dort gefasste Beschluss besagt, dass wo immer es technisch möglich und sinnvoll ist, auf Open Source- Lösungen gesetzt werden solle.

Zwei praxisbezogene Vergabe-Seminare von der Fortbildungskampagne 
Die Fortbildungskampagne öffentliches Recht widmet sich den hier angesprochenen Themen im Frühjahr 2022 gleich mit zwei Zweitages-Veranstaltungen: „Zukunftsfelder der IT-Vergabe“ (17./18.03.22) und „Anwendergerechte Umsetzung der EVB-IT (inkl. Anwendung der neuen EVB-IT Cloud)“ (28./29.04.22).

Wir freuen uns auf zahlreiche spannende Vorträge und Workshops, die im bewährten Format im IntercityHotel Berlin mit gleichzeitiger Möglichkeit zur Online-Teilnahme stattfinden. Die detaillierten Agenden der beiden Termine können hier aufgerufen werden:


Für weitere Informationen und Fragen wenden Sie sich bitte an: 


Constanze Korb

Fortbildungskampagne öffentliches Recht

Presse und Kommunikation


Tel.: +49 (0) 30 89 56 27 13

E-Mail: presse@fortbildungskampagne.de

Über Fortbildungskampagne öffentliches Recht:


Die Fortbildungskampagne öffentliches Recht wurde 2019 in Berlin gegründet und erweitert das Weiterbildungsangebot im öffentlichen Sektor durch effiziente Veranstaltungen im Hybrid-Format. ExpertInnen aus der Praxis, aus Forschung und Lehre und dem Rechtsbereich vermitteln ihr fundiertes Wissen im Rahmen von Seminaren und Inhouse-Schulungen praxisnah an einem Tag. Die Veranstaltungen bieten einen direkten Austausch mit den ReferentInnen vor Ort und online.


Die Fortbildungskampagne eruiert über fortlaufende Recherchen und den ständigen Austausch mit ExpertInnen und Institutionen den tatsächlichen Fortbildungsbedarf an aktuellen und praxisrelevanten Themen. Sie versteht sich als eine innovative Plattform für Wissenstransfer, deren Angebot die öffentliche Hand aktiv mitgestalten kann. 

31. März 2025
Meinungsbeitrag: Till Spurny Ein Wort wie „Entmenschlichung“ brachte man bis vor kurzem allenfalls mit den Verbrechen des Nationalsozialismus in Deutschland in Verbindung. Inzwischen werden jedoch von der amerikanischen Regierung Pressefotos verbreitet, auf denen Menschen in Gefangenschaft gezeigt werden, mit kahl geschorenen Köpfen, unwürdig in eine gebeugte Haltung gedrückt, um die „erfolgreichen Deportationen“ aus den USA zu belegen. Das ist ein Beispiel für Entmenschlichung, einer Vorstufe zu noch mehr Entwürdigung und roher Gewalt. Dass die aggressive Rhetorik und die dazugehörenden Handlungen der US-Regierung (Stichwort: Yemen) wie eine Gewaltankündigung verstanden werden können, zeigt nicht zuletzt ein aktuelles Zitat von Warren Buffet, in dem er die Erhebung von Zöllen als „Kriegshandlung“ bezeichnet (Tariffs are 'an act of war ', W. Buffet). Warum ist das relevant, wenn man zum Beispiel gerade dabei ist, die Digitalisierung voranzutreiben und Prozesse durch Technologie, Software und KI zu vereinfachen? Die Beobachtung dieser schleichenden Entmenschlichung ist deshalb relevant, weil wir uns in Deutschland bereits in einer Situation wiederfanden, in der die Puzzleteile und Einzelereignisse retrospektiv rekonstruiert werden mussten, um die größte Katastrophe unserer Geschichte zu erklären. Im Rückblick wurde dann schrittweise erklärbar, wie es zu einer Situation kommen konnte, in der Menschen nicht mehr Menschen waren. In der Rückschau konnte man dann den Stellenwert einzelner Ereignisse bewerten und konkret aufzeigen, wie letztlich eines zum anderen führen konnte. Auch wenn heute niemand sagen kann, in welche Zukunft wir uns konkret bewegen, mit welcher Überschrift das gegenwärtige Kapitel in den Geschichtsbüchern einst überschrieben sein wird, so ist doch spürbar, dass dies ein historischer Moment ist. Werden neue Technologien und Innovationen vor diesem Hintergrund stets mit einer positiv besetzten Vorstellung von Fortschritt und Entwicklung verbunden bleiben? Oder ist es denkbar, dass zum Beispiel künstliche Intelligenz einst mit Kontrolle, Herrschaft und Macht in Verbindung gebracht wird? Das darf man durchaus fragen, angesichts einer nahezu vollständig selbstverständlichen und weitreichenden Technologieabhängigkeit. Wem das gänzlich abwegig erscheint, der möge sich fragen, wie es der Technologie-Industrie bisher gelungen ist, Produkte an hunderte Millionen oder gar Milliarden von Kunden zu verkaufen und gleichzeitig die negativen Konnotationen aus Orwell's 1984 und anderen Fiktionen zu vermeiden. Es ist durchaus bezeichnend, dass Jensen Huang, Gründer und CIO von NVIDIA, dem wichtigsten Hersteller von KI-Prozessoren der Welt, kürzlich eine Kollaboration im Bereich Robotics zwischen NVIDIA, Open AI und Disney Research verkündet hat. Das lässt erkennen, dass man auch für ernsthafte KI-gestützte Roboter-Technologie offenbar ein Unternehmen wie Disney benötigt, das den Maschinen Töne, Geräusche und Gesten einverleiben kann. Damit wird uns Menschen das Gefühl vermittelt, es mit intelligenten Wesen zu interagieren anstatt mit Plastik- und Aluminiumkästen und Kupferdrähten. Im besten Fall unterstützt uns die Technologie darin, einfach menschlich zu sein - eben Mensch zu sein. Doch das bedeutet auch, dass wir aufhorchen sollten, wenn die Grenze zur Entmenschlichung überschritten wird.
17. Februar 2025
Lebenslang lernen - Fluch oder Segen?
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