Der Koalitionsvertrag von Union und SPD und die Stellung der Erwachsenenbildung

5. Mai 2025

BERICHT

Neue politische Weichenstellung – aber nicht für alle Bildungsbereiche

Mit dem Koalitionsvertrag „Verantwortung für Deutschland“ (2025) legen Unionsparteien und SPD die Leitlinien ihrer Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik für die kommenden Jahre vor. Zwar betonen sie die Bedeutung von Bildung für den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel und die Notwendigkeit von Investitionen, doch der Fokus liegt eindeutig auf frühkindlicher, schulischer und beruflicher Bildung. Die Erwachsenenbildung wird zwar erwähnt, bleibt jedoch ohne klare Maßnahmen. Gerade im Angesicht von Fachkräftemangel, Transformation der Arbeitswelt und gesellschaftlicher Polarisierung ist dies ein bemerkenswerter Befund, denn lebenslanges Lernen sollte nicht nur eine pädagogische Vision, sondern politische Notwendigkeit sein.


Fehlende Impulse trotz großer Herausforderungen

Der Koalitionsvertrag spricht zwar allgemein von einer transparenten Weiterentwicklung des lebensbegleitenden Lernens, bleibt aber im Bereich der (digitalen) Erwachsenenbildung vage. Zwar soll die betriebliche Weiterbildung unterstützt werden, konkrete Maßnahmen wie ein bundesweites Bildungsbudget für Erwachsene oder der Ausbau der Weiterbildungsberatung werden in diesem Bereich jedoch nicht genannt. 


Digitalisierung: Viel Potenzial, wenig Konkretisierung

Die geplante Modernisierung der digitalen Infrastruktur betrifft in erster Linie Schulen. Impulse für digitale Weiterbildungsformate in der Erwachsenenbildung werden nicht explizit formuliert. Anbieter von E-Learning, Blended-Learning und modularen Kursformaten bleiben damit weiterhin auf Förderprogramme der Länder oder EU-Initiativen angewiesen.


Rolle der Bildungsanbieter: Chancen trotz Stillstand

Auch wenn der Vertrag wenig Orientierung bietet, bleibt die Notwendigkeit zur Weiterbildung unbestritten. Für Bildungsanbieter bedeutet das: Wer sich strategisch mit innovativen digitalen Lernformaten positioniert oder niedrigschwellige Angebote für benachteiligte Gruppen anbietet, kann auch ohne Unterstützung aus Berlin eine starke Rolle einnehmen. Gleichzeitig ist klar: Ohne politische Impulse auf Bundesebene droht die Schere zwischen gut ausgestatteter beruflicher Bildung und unterfinanzierter Erwachsenenbildung weiter auseinanderzugehen.


Erwachsenenbildung verdient mehr politische Substanz

Der Koalitionsvertrag 2025 bleibt aus Sicht der Fortbildungsbranche enttäuschend. Das lebenslange Lernen wird anerkannt, aber nicht gestaltet. Für Anbieter heißt das: Jetzt ist die Zeit, um durch Pilotprojekte eigene Impulse zu setzen. Die Bundesregierung liefert keinen Aufbruch, aber Spielräume, und es liegt nun an der Branche, diese mit Leben zu füllen.

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Constanze Korb

Fortbildungskampagne öffentliches Recht

Presse und Kommunikation


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Über Fortbildungskampagne öffentliches Recht:


Die Fortbildungskampagne öffentliches Recht wurde 2019 in Berlin gegründet und erweitert das Weiterbildungsangebot im öffentlichen Sektor durch effiziente Veranstaltungen im Online-Format. ExpertInnen aus der Praxis, aus Forschung und Lehre und dem Rechtsbereich vermitteln ihr fundiertes Wissen im Rahmen von Seminaren und Inhouse-Schulungen. Die Veranstaltungen bieten einen direkten Austausch mit den ReferentInnen.


Die Fortbildungskampagne eruiert über fortlaufende Recherchen und den ständigen Austausch mit ExpertInnen und Institutionen den tatsächlichen Fortbildungsbedarf an aktuellen und praxisrelevanten Themen. Sie versteht sich als eine innovative Plattform für Wissenstransfer, deren Angebot die öffentliche Hand aktiv mitgestalten kann. 


(Abb. lizensiert durch Alamy)


31. März 2025
Meinungsbeitrag: Till Spurny Ein Wort wie „Entmenschlichung“ brachte man bis vor kurzem allenfalls mit den Verbrechen des Nationalsozialismus in Deutschland in Verbindung. Inzwischen werden jedoch von der amerikanischen Regierung Pressefotos verbreitet, auf denen Menschen in Gefangenschaft gezeigt werden, mit kahl geschorenen Köpfen, unwürdig in eine gebeugte Haltung gedrückt, um die „erfolgreichen Deportationen“ aus den USA zu belegen. Das ist ein Beispiel für Entmenschlichung, einer Vorstufe zu noch mehr Entwürdigung und roher Gewalt. Dass die aggressive Rhetorik und die dazugehörenden Handlungen der US-Regierung (Stichwort: Yemen) wie eine Gewaltankündigung verstanden werden können, zeigt nicht zuletzt ein aktuelles Zitat von Warren Buffet, in dem er die Erhebung von Zöllen als „Kriegshandlung“ bezeichnet (Tariffs are 'an act of war ', W. Buffet). Warum ist das relevant, wenn man zum Beispiel gerade dabei ist, die Digitalisierung voranzutreiben und Prozesse durch Technologie, Software und KI zu vereinfachen? Die Beobachtung dieser schleichenden Entmenschlichung ist deshalb relevant, weil wir uns in Deutschland bereits in einer Situation wiederfanden, in der die Puzzleteile und Einzelereignisse retrospektiv rekonstruiert werden mussten, um die größte Katastrophe unserer Geschichte zu erklären. Im Rückblick wurde dann schrittweise erklärbar, wie es zu einer Situation kommen konnte, in der Menschen nicht mehr Menschen waren. In der Rückschau konnte man dann den Stellenwert einzelner Ereignisse bewerten und konkret aufzeigen, wie letztlich eines zum anderen führen konnte. Auch wenn heute niemand sagen kann, in welche Zukunft wir uns konkret bewegen, mit welcher Überschrift das gegenwärtige Kapitel in den Geschichtsbüchern einst überschrieben sein wird, so ist doch spürbar, dass dies ein historischer Moment ist. Werden neue Technologien und Innovationen vor diesem Hintergrund stets mit einer positiv besetzten Vorstellung von Fortschritt und Entwicklung verbunden bleiben? Oder ist es denkbar, dass zum Beispiel künstliche Intelligenz einst mit Kontrolle, Herrschaft und Macht in Verbindung gebracht wird? Das darf man durchaus fragen, angesichts einer nahezu vollständig selbstverständlichen und weitreichenden Technologieabhängigkeit. Wem das gänzlich abwegig erscheint, der möge sich fragen, wie es der Technologie-Industrie bisher gelungen ist, Produkte an hunderte Millionen oder gar Milliarden von Kunden zu verkaufen und gleichzeitig die negativen Konnotationen aus Orwell's 1984 und anderen Fiktionen zu vermeiden. Es ist durchaus bezeichnend, dass Jensen Huang, Gründer und CIO von NVIDIA, dem wichtigsten Hersteller von KI-Prozessoren der Welt, kürzlich eine Kollaboration im Bereich Robotics zwischen NVIDIA, Open AI und Disney Research verkündet hat. Das lässt erkennen, dass man auch für ernsthafte KI-gestützte Roboter-Technologie offenbar ein Unternehmen wie Disney benötigt, das den Maschinen Töne, Geräusche und Gesten einverleiben kann. Damit wird uns Menschen das Gefühl vermittelt, es mit intelligenten Wesen zu interagieren anstatt mit Plastik- und Aluminiumkästen und Kupferdrähten. Im besten Fall unterstützt uns die Technologie darin, einfach menschlich zu sein - eben Mensch zu sein. Doch das bedeutet auch, dass wir aufhorchen sollten, wenn die Grenze zur Entmenschlichung überschritten wird.
17. Februar 2025
Lebenslang lernen - Fluch oder Segen?
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