Fortbildungskampagne Zukunftstechnologien
Zukunft unausweichlich voraus
Beitrag: Till Spurny
Innovationen üben seit jeher eine große Faszination auf viele Menschen aus. Sie spiegeln unsere Visionen, Vorstellungen und Zukunftserwartungen und sind gleichzeitig nicht selten mit Befürchtungen und Angst vor Veränderung verbunden. Besonders interessant ist die Frage, ob und inwiefern Innovationen mit tatsächlicher Nachfrage, mit Notwendigkeiten sowie konkretem Bedarf und Nutzen korrelieren. Die Innovationsgeschichte ist voll von Beispielen, in denen neue Entwicklungen scheiterten, weil sich die zugrundeliegenden Annahmen letztlich als falsch herausstellten.
Mit dem professionellen Innovationsmanagement in der Industrie kam ich seit 2009 im Rahmen von Wirtschaftskonferenzen in Berührung. Ich durfte an diesen Events mitarbeiten, an denen Konzerne aus dem deutschen und europäischen Raum ihre Strategien und Erfahrungen vorstellten. Dabei ging es unter anderem um Themen wie Strategic Foresight, Innovationsplattformen, Produktentwicklung, Requirements Engineering, Risikomanagement und dergleichen.
Erstaunlicherweise waren viele Themen und Technologien in den deutschen Unternehmen schon sehr früh präsent - zumindest insofern ich das aus der Sicht der damaligen Konferenzfirma beurteilen kann. Beispielsweise war in den Jahren 2009 / 2010 die Energieeffizienz und -Optimierung, die Nutzung von Wärme und Überschussenergie in den Produktionsanlagen ein viel besprochenes Thema. Auch an der Elektromobilität wurde in der Automobilindustrie schon seit Jahren geforscht und gearbeitet. Die damit verbundenen Herausforderungen bei der Ladesäuleninfrastruktur und hinsichtlich schlanker Lieferketten, die Risiken für bestehende Arbeitsplätze mit sich bringen, sind in der Industrie seit mindestens zwei Jahrzehnten bestens bekannt. Und trotzdem erleben wir gerade die Kehrtwende, in der unsere OEMs wieder auf Verbrennermotoren setzen.
Dafür kann man eventuell das ungünstige Zusammenspiel zwischen Gesetzgebung und Industrie verantwortlich machen. Vereinfacht gesagt, wünschten sich die Hersteller Planungs- und Finanzierungssicherheit durch politische Regulierung und Förderung. Die politischen Akteure erwarteten von den Marktakteuren, dass tatsächliche, nachfragegenerierende Anreize geschaffen würden. Beide hofften darauf, dass die Kunden entsprechend das richtige Produkt kaufen würden.
Dieses Hin und Her zwischen herbeigewünschtem und tatsächlichem Bedarf ist eines der spannendsten Felder bei der Beschäftigung mit Innovationen.
Derzeit wird die Weltbühne von Männern gehobenem Alters wie Trump und Putin dominiert, die hartnäckig dafür sorgen, dass die kostbare Ressource „Aufmerksamkeit“ auf Dinge gelenkt wird, die eben ältere Männer interessieren. Dessen ungeachtet schreiten physikalische Veränderungen wie der Klimawandel und technologische Entwicklungen weiter voran.
Daher möchte ich an dieser Stelle auf drei Technologiebereiche hinweisen, die ich mit Blick auf die kommenden Jahre als besonders vielversprechend einschätze.
Spacial Computing
Im Kern soll durch Spacial Computing die Brücke zwischen der physikalischen Welt und digitalen Anwendungen geschlagen werden. Hierbei sind nicht nur bekannte Technologien wie digitale Zwillinge und Virtual sowie Augmented Reality (VR und AR) relevant. Sondern aufgrund von neuen Möglichkeiten durch künstliche Intelligenz ist es zunehmend wichtig, dass physikalische Eigenschaften tatsächlich von den Programmen abgebildet und integriert werden können.
Neben dem Building Information Management (BIM) in der Architektur und im Baubereich gibt es zahlreiche industrielle Anwendungen wie etwa „industrial augmented reality“, die die industrielle Produktion tiefgreifend verändern. Es ist ein Technologiebereich, in dem im Zusammenspiel mit künstlicher Intelligenz künftige Innovationssprünge möglich sind.
CO2 Infrastruktur
Der Aufbau einer Infrastruktur für den Transport, die eventuelle Weiternutzung und die endgültige Lagerung von Kohlenstoffdioxid (CO2) in Europa ist fundamental wichtig. Wenn man CO2 schlichtweg am Ort des Entstehens, der industriellen Fertigung, abzweigen kann und durch eine geeignete Infrastruktur in ein endgültiges Lager transportieren kann, das ca. 2600 Meter unter dem Meeresgrund in einem ausgedienten Gasfeld unter der Nordsee liegt, dann sollte man das auch tun.
Die Firma Heidelberg Materials ist eines der ersten deutschen Unternehmen, die aktiv in das Pilotprojekt „Longship“ in Norwegen investiert. Das bei der dortigen Zementproduktion entstehende CO2 wird im Rahmen des Northern Lights Projekts zur finalen Lagerung abtransportiert. Dadurch gelangt es nicht in die Atmosphäre und Kunden erhalten quasi emissionsfreien, grünen Zement.
Auch in Deutschland könnte ein Transportnetz für den CO2 Tarnsport entstehen. Noch scheint die Umsetzung in weiter Ferne. Doch es wird ganz sicher irgendwann 2030 und die Argumente, die Umsetzung nicht zu finanzieren, werden zunehmend dünner.
Technologie aus der Gaming-Industrie für Training, Schulung und Simulation
Einige Technologieunternehmen, die aus der Gaming Branche stammen, verfügen derzeit über die besten, präzisesten und stabilsten Engines, um dreidimensionale Welten und Interaktionen darin zu repräsentieren. Längst ist aus Anwendungen, die ursprünglich für Computerspiele und -Simulationen entwickelt wurden, ernstzunehmende Technologie geworden. Beispielsweise ermöglicht die virtuelle Gesundheitstechnologie von Unity Software chirurgische Simulationen und erlaubt es, komplexe chirurgische Verfahren in einer risikofreien Umgebung zu üben.
Hier wird nicht nur eine Technologie weiterentwickelt und auf andere Anwendungsfelder ausgeweitet. Es findet auch ein fortschreitender Wandel hinsichtlich der strikten Trennung von „ernsthafter“ Welt und spielerischer Herangehensweise statt. Diesen Wandel möchte ich als Seminarveranstalter selbstverständlich im Blick behalten. Nicht zuletzt erweisen sich spielerische Elemente in Lernumgebungen oftmals als sinnvoll und nützlich.
(Abb. lizenziert durch Alamy)
