Fortbildungskampagne Zukunftstechnologien

9. Juli 2025

Zukunft unausweichlich voraus

Beitrag: Till Spurny


Innovationen üben seit jeher eine große Faszination auf viele Menschen aus. Sie spiegeln unsere Visionen, Vorstellungen und Zukunftserwartungen und sind gleichzeitig nicht selten mit Befürchtungen und Angst vor Veränderung verbunden. Besonders interessant ist die Frage, ob und inwiefern Innovationen mit tatsächlicher Nachfrage, mit Notwendigkeiten sowie konkretem Bedarf und Nutzen korrelieren. Die Innovationsgeschichte ist voll von Beispielen, in denen neue Entwicklungen scheiterten, weil sich die zugrundeliegenden Annahmen letztlich als falsch herausstellten.


Mit dem professionellen Innovationsmanagement in der Industrie kam ich seit 2009 im Rahmen von Wirtschaftskonferenzen in Berührung. Ich durfte an diesen Events mitarbeiten, an denen Konzerne aus dem deutschen und europäischen Raum ihre Strategien und Erfahrungen vorstellten. Dabei ging es unter anderem um Themen wie Strategic Foresight, Innovationsplattformen, Produktentwicklung, Requirements Engineering, Risikomanagement und dergleichen.


Erstaunlicherweise waren viele Themen und Technologien in den deutschen Unternehmen schon sehr früh präsent - zumindest insofern ich das aus der Sicht der damaligen Konferenzfirma beurteilen kann. Beispielsweise war in den Jahren 2009 / 2010 die Energieeffizienz und -Optimierung, die Nutzung von Wärme und Überschussenergie in den Produktionsanlagen ein viel besprochenes Thema. Auch an der Elektromobilität wurde in der Automobilindustrie schon seit Jahren geforscht und gearbeitet. Die damit verbundenen Herausforderungen bei der Ladesäuleninfrastruktur und hinsichtlich schlanker Lieferketten, die Risiken für bestehende Arbeitsplätze mit sich bringen, sind in der Industrie seit mindestens zwei Jahrzehnten bestens bekannt. Und trotzdem erleben wir gerade die Kehrtwende, in der unsere OEMs wieder auf Verbrennermotoren setzen. 


Dafür kann man eventuell das ungünstige Zusammenspiel zwischen Gesetzgebung und Industrie verantwortlich machen. Vereinfacht gesagt, wünschten sich die Hersteller Planungs- und Finanzierungssicherheit durch politische Regulierung und Förderung. Die politischen Akteure erwarteten von den Marktakteuren, dass tatsächliche, nachfragegenerierende Anreize geschaffen würden. Beide hofften darauf, dass die Kunden entsprechend das richtige Produkt kaufen würden. 


Dieses Hin und Her zwischen herbeigewünschtem und tatsächlichem Bedarf ist eines der spannendsten Felder bei der Beschäftigung mit Innovationen.  


Derzeit wird die Weltbühne von Männern gehobenem Alters wie Trump und Putin dominiert, die hartnäckig dafür sorgen, dass die kostbare Ressource „Aufmerksamkeit“ auf Dinge gelenkt wird, die eben ältere Männer interessieren. Dessen ungeachtet schreiten physikalische Veränderungen wie der Klimawandel und technologische Entwicklungen weiter voran. 


Daher möchte ich an dieser Stelle auf drei Technologiebereiche hinweisen, die ich mit Blick auf die kommenden Jahre als besonders vielversprechend einschätze. 


Spacial Computing


Im Kern soll durch Spacial Computing die Brücke zwischen der physikalischen Welt und digitalen Anwendungen geschlagen werden. Hierbei sind nicht nur bekannte Technologien wie digitale Zwillinge und Virtual sowie Augmented Reality (VR und AR) relevant. Sondern aufgrund von neuen Möglichkeiten durch künstliche Intelligenz ist es zunehmend wichtig, dass physikalische Eigenschaften tatsächlich von den Programmen abgebildet und integriert werden können. 


Neben dem Building Information Management (BIM) in der Architektur und im Baubereich gibt es zahlreiche industrielle Anwendungen wie etwa „industrial augmented reality“, die die industrielle Produktion tiefgreifend verändern. Es ist ein Technologiebereich, in dem im Zusammenspiel mit künstlicher Intelligenz künftige Innovationssprünge möglich sind.

 

CO2 Infrastruktur


Der Aufbau einer Infrastruktur für den Transport, die eventuelle Weiternutzung und die endgültige Lagerung von Kohlenstoffdioxid (CO2) in Europa ist fundamental wichtig. Wenn man CO2 schlichtweg am Ort des Entstehens, der industriellen Fertigung, abzweigen kann und durch eine geeignete Infrastruktur in ein endgültiges Lager transportieren kann, das ca. 2600 Meter unter dem Meeresgrund in einem ausgedienten Gasfeld unter der Nordsee liegt, dann sollte man das auch tun. 


Die Firma Heidelberg Materials ist eines der ersten deutschen Unternehmen, die aktiv in das Pilotprojekt „Longship“ in Norwegen investiert. Das bei der dortigen Zementproduktion entstehende CO2 wird im Rahmen des Northern Lights Projekts zur finalen Lagerung abtransportiert. Dadurch gelangt es nicht in die Atmosphäre und Kunden erhalten quasi emissionsfreien, grünen Zement. 


Auch in Deutschland könnte ein Transportnetz für den CO2 Tarnsport entstehen. Noch scheint die Umsetzung in weiter Ferne. Doch es wird ganz sicher irgendwann 2030 und die Argumente, die Umsetzung nicht zu finanzieren, werden zunehmend dünner.  


Technologie aus der Gaming-Industrie für Training, Schulung und Simulation


Einige Technologieunternehmen, die aus der Gaming Branche stammen, verfügen derzeit über die besten, präzisesten und stabilsten Engines, um dreidimensionale Welten und Interaktionen darin zu repräsentieren. Längst ist aus Anwendungen, die ursprünglich für Computerspiele und -Simulationen entwickelt wurden, ernstzunehmende Technologie geworden. Beispielsweise ermöglicht die virtuelle Gesundheitstechnologie von Unity Software chirurgische Simulationen und erlaubt es, komplexe chirurgische Verfahren in einer risikofreien Umgebung zu üben.


Hier wird nicht nur eine Technologie weiterentwickelt und auf andere Anwendungsfelder ausgeweitet. Es findet auch ein fortschreitender Wandel hinsichtlich der strikten Trennung von „ernsthafter“ Welt und spielerischer Herangehensweise statt. Diesen Wandel möchte ich als Seminarveranstalter selbstverständlich im Blick behalten. Nicht zuletzt erweisen sich spielerische Elemente in Lernumgebungen oftmals als sinnvoll und nützlich.



(Abb. lizenziert durch Alamy)

31. März 2025
Meinungsbeitrag: Till Spurny Ein Wort wie „Entmenschlichung“ brachte man bis vor kurzem allenfalls mit den Verbrechen des Nationalsozialismus in Deutschland in Verbindung. Inzwischen werden jedoch von der amerikanischen Regierung Pressefotos verbreitet, auf denen Menschen in Gefangenschaft gezeigt werden, mit kahl geschorenen Köpfen, unwürdig in eine gebeugte Haltung gedrückt, um die „erfolgreichen Deportationen“ aus den USA zu belegen. Das ist ein Beispiel für Entmenschlichung, einer Vorstufe zu noch mehr Entwürdigung und roher Gewalt. Dass die aggressive Rhetorik und die dazugehörenden Handlungen der US-Regierung (Stichwort: Yemen) wie eine Gewaltankündigung verstanden werden können, zeigt nicht zuletzt ein aktuelles Zitat von Warren Buffet, in dem er die Erhebung von Zöllen als „Kriegshandlung“ bezeichnet (Tariffs are 'an act of war ', W. Buffet). Warum ist das relevant, wenn man zum Beispiel gerade dabei ist, die Digitalisierung voranzutreiben und Prozesse durch Technologie, Software und KI zu vereinfachen? Die Beobachtung dieser schleichenden Entmenschlichung ist deshalb relevant, weil wir uns in Deutschland bereits in einer Situation wiederfanden, in der die Puzzleteile und Einzelereignisse retrospektiv rekonstruiert werden mussten, um die größte Katastrophe unserer Geschichte zu erklären. Im Rückblick wurde dann schrittweise erklärbar, wie es zu einer Situation kommen konnte, in der Menschen nicht mehr Menschen waren. In der Rückschau konnte man dann den Stellenwert einzelner Ereignisse bewerten und konkret aufzeigen, wie letztlich eines zum anderen führen konnte. Auch wenn heute niemand sagen kann, in welche Zukunft wir uns konkret bewegen, mit welcher Überschrift das gegenwärtige Kapitel in den Geschichtsbüchern einst überschrieben sein wird, so ist doch spürbar, dass dies ein historischer Moment ist. Werden neue Technologien und Innovationen vor diesem Hintergrund stets mit einer positiv besetzten Vorstellung von Fortschritt und Entwicklung verbunden bleiben? Oder ist es denkbar, dass zum Beispiel künstliche Intelligenz einst mit Kontrolle, Herrschaft und Macht in Verbindung gebracht wird? Das darf man durchaus fragen, angesichts einer nahezu vollständig selbstverständlichen und weitreichenden Technologieabhängigkeit. Wem das gänzlich abwegig erscheint, der möge sich fragen, wie es der Technologie-Industrie bisher gelungen ist, Produkte an hunderte Millionen oder gar Milliarden von Kunden zu verkaufen und gleichzeitig die negativen Konnotationen aus Orwell's 1984 und anderen Fiktionen zu vermeiden. Es ist durchaus bezeichnend, dass Jensen Huang, Gründer und CIO von NVIDIA, dem wichtigsten Hersteller von KI-Prozessoren der Welt, kürzlich eine Kollaboration im Bereich Robotics zwischen NVIDIA, Open AI und Disney Research verkündet hat. Das lässt erkennen, dass man auch für ernsthafte KI-gestützte Roboter-Technologie offenbar ein Unternehmen wie Disney benötigt, das den Maschinen Töne, Geräusche und Gesten einverleiben kann. Damit wird uns Menschen das Gefühl vermittelt, es mit intelligenten Wesen zu interagieren anstatt mit Plastik- und Aluminiumkästen und Kupferdrähten. Im besten Fall unterstützt uns die Technologie darin, einfach menschlich zu sein - eben Mensch zu sein. Doch das bedeutet auch, dass wir aufhorchen sollten, wenn die Grenze zur Entmenschlichung überschritten wird.
17. Februar 2025
Lebenslang lernen - Fluch oder Segen?
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