Beschluss der Vergabekammer BaWü: Praktische Bedeutung für die Vergabe von IT- und Cloud-Services

2. September 2022

KOMMENTAR

Was bedeutet die Entscheidung der Vergabekammer Baden-Württemberg für die Vergabe-Praxis?
Von Till Spurny

In ihrem noch nicht rechtskräftigen Beschluss vom 13. Juli 2022 folgt die Vergabekammer Baden-Württemberg der Argumentation des unterlegenen Bieterunternehmens, welches eine Rüge einreichte. Der Beschluss im Wortlaut kann hier abgerufen werden. 

In dem Vergabeverfahren ging es um eine Software-Lösung im Pflegebereich, bei welchem ein Unternehmen den Zuschlag erhielt, welches die Server- und Hosting-Leistungen durch einen Unterauftragnehmer mit Sitz in der EU bedienen wollte. Bei dem Unterauftragnehmer handelte es sich um eine Tochtergesellschaft eines US-Konzerns. Das unterlegene Bieterunternehmen rügte den Zuschlag unter Verweis darauf, dass ein Verstoß gegen Artikel 44 der DSGVO vorläge. Insbesondere strittig sei die Möglichkeit der Datenübermittlung an die US-Konzernmutter. 

Wenn man der Argumentation der Vergabekammer folgt, so würde der Einsatz europäischer Cloud-Dienstleister und Rechenzentren innerhalb der EU grundsätzlich gegen die DSGVO verstoßen, sofern diese Unternehmen Töchter von amerikanischen Konzernmüttern sind. Diese Argumentation stellt allein auf die wirtschaftsrechtliche Eigentümerschaft von Töchterunternehmen ab. Sie wird ausdrücklich nicht damit begründet, ob rein technisch die Möglichkeit eines Datenzugriffs bestehe, ob ein solcher erfolgt ist oder erfolgen kann und welche Maßnahmen zur Verhinderung eines Datenzugriffs durch Dritte getroffen werden. 

Die Entscheidung der Vergabekammer Baden-Württemberg ist insbesondere deswegen bemerkenswert, weil damit weitreichende Konsequenzen für die Cloud-Vergabe verbunden wären, sollte sie rechtskräftig werden. In der Fachwelt wird der Beschluss daher kontrovers diskutiert. Nicht nur äußerten sich in den vergangenen Wochen zahlreiche Fachanwälte und Kanzleien, sondern auch der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationssicherheit Baden-Württemberg veröffentlichte eine Stellungnahme zu der Entscheidung. Diese ist hier einsehbar. 

Die technische und rechtliche Argumentation gegen den Beschluss ist reichlich komplex und die Details dazu würden den Rahmen dieses Kommentars sprengen. Grundsätzlich scheint sich jedoch der Standpunkt durchzusetzen, dass die Begründung der Vergabekammer Baden-Württemberg nicht haltbar sein wird. Daher wird nun die Überprüfung der Entscheidung durch das Oberlandesgericht Karlsruhe mit Spannung erwartet. Sollte die Entscheidung durch das OLG Karlsruhe bestätigt werden, so hätte dies weitreichende Auswirkungen auf die Vergabe-Praxis. 

Die Cloud-Vergabe in Deutschland hat grundsätzlich mit dem Spannungsfeld zwischen Komplexität und technischen Möglichkeiten auf der einen Seite und vergabe- sowie datenschutzrechtlichen Anforderungen auf der anderen Seite zu kämpfen. Die im März diesen Jahres erfolgte Veröffentlichung der ergänzenden Vertragsbedingungen für die Beschaffung von Cloud-Leistungen, welche federführend von der Arbeitsgruppe EVB-IT aus dem BMI verhandelt wurden, stellt einen Meilenstein für die IT-Vergabe dar. Der Beschluss der Vergabekammer Baden-Württemberg macht deutlich, dass die Herausforderungen bei der Vergabe von Cloud-Leistungen und die damit verbundenen datenschutzrechtlichen Anforderungen in der Praxis noch nicht ausreichend gelöst wurden. In der Praxis existieren zahlreiche potenzielle Problemfälle, die im Zusammenhang mit dieser Diskussion ins Licht der Aufmerksamkeit rücken könnten. 

Diese weitreichende Kontroverse ist unter anderem Bestandteil der Praktiker-Diskussionen im Seminar der Fortbildungskampagne am 15. und 16. September mit dem Titel „Sichere Cloud-Verträge und -Services in Institutionen und Unternehmen der öffentlichen Hand“. Hier werden sowohl die die technischen und datenschutzrechtlichen Anforderungen an Cloud-Leistungen umfassend besprochen als auch die vergaberechtlichen Implikationen aufgezeigt. An den beiden Veranstaltungstagen geht es nicht um theoretisch-juristische Einschätzungen, sondern um praxisbezogene Hilfestellungen und Anregungen für Vergabestellen und Einrichtungen der öffentlichen Hand, welche Verträge im Zusammenhang mit Cloud-Leistungen abschließen werden.

Agenda der Veranstaltung: 

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Constanze Korb

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Die Fortbildungskampagne öffentliches Recht wurde 2019 in Berlin gegründet und erweitert das Weiterbildungsangebot im öffentlichen Sektor durch effiziente Veranstaltungen im Hybrid-Format. ExpertInnen aus der Praxis, aus Forschung und Lehre und dem Rechtsbereich vermitteln ihr fundiertes Wissen im Rahmen von Seminaren und Inhouse-Schulungen. Die Veranstaltungen bieten einen direkten Austausch mit den ReferentInnen vor Ort und online.


Die Fortbildungskampagne eruiert über fortlaufende Recherchen und den ständigen Austausch mit ExpertInnen und Institutionen den tatsächlichen Fortbildungsbedarf an aktuellen und praxisrelevanten Themen. Sie versteht sich als eine innovative Plattform für Wissenstransfer, deren Angebot die öffentliche Hand aktiv mitgestalten kann. 

10. Dezember 2025
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17. November 2025
Seit ihrer Gründung im Jahr 2019 hat sich die Fortbildungskampagne öffentliches Recht zu einer festen Größe in der Weiterbildung für Verwaltung und öffentliche Einrichtungen entwickelt. Mittlerweile haben 4.458 Teilnehmende aus 2.169 Organisationen die Angebote genutzt – ein eindrucksvoller Beleg für den wachsenden Bedarf an praxisnaher und rechtssicherer Fortbildung. Insgesamt wurden in den vergangenen Jahren 380 Veranstaltungen erfolgreich durchgeführt – von kompakten Online-Seminaren bis hin zu mehrtägigen Präsenzworkshops. Thematisch deckt das Programm ein breites Spektrum ab: von Bau- und Vergaberecht über Finanz- und Verwaltungsmanagement bis hin zu Digitalisierung, Künstlicher Intelligenz und Kommunikation. Das kontinuierliche Wachstum zeigt, dass die Kombination aus fachlicher Tiefe, Praxisnähe und aktuellem Themenbezug überzeugt. Besonders geschätzt wird der enge Austausch mit Expertinnen und Experten aus Verwaltung, Recht und Praxis, der den Teilnehmenden wertvolle Einblicke und unmittelbar umsetzbares Wissen vermittelt. Die Fortbildungskampagne wird auch künftig ihr Programm gezielt weiterentwickeln – mit neuen Seminaren zu aktuellen Herausforderungen, innovativen Lernformaten und einer klaren Ausrichtung auf die Anforderungen der öffentlichen Hand. Ziel bleibt es, Beschäftigte in Bund, Ländern und Kommunen dabei zu unterstützen, rechtliche, organisatorische und technologische Veränderungen kompetent und sicher umzusetzen. Der anhaltende Zuspruch und das Vertrauen von Teilnehmenden und Institutionen bestätigen den Erfolg dieses Ansatzes – und zeigen, dass die Fortbildungskampagne zu einem verlässlichen Partner für berufliche Qualifizierung in der öffentlichen Verwaltung geworden ist. Weitere Informationen auf www.fortbildungskampagne.de
3. November 2025
Es sind oft die großen Überschriften, die aus den letzten zehn Jahren in Erinnerung bleiben: „Flüchtlingskrise“, „Pandemie“, „Energiekrise“, „Klimakrise“. Und es sind politische Programme, Strategiepapiere und Koalitionsverträge, die in Pressekonferenzen vorgestellt wurden. Was in diesen Momenten selten erwähnt wurde, ist die mühevolle Arbeit, welche die Bewältigung solcher Krisen überhaupt erst möglich macht. Sie findet hinter den Kulissen statt – in Verwaltungen, Behörden und kommunalen Einrichtungen, bei Menschen, die Tag für Tag versuchen, politische Vorgaben in konkrete Praxis zu übersetzen. Wenn man die letzten und aktuellen Krisen genauer betrachtet, wird deutlich, welche Belastungen die öffentliche Hand zu bewältigen hat. Nach der Flüchtlingszuwanderung 2015 folgte kaum eine Verschnaufpause, ehe eine weltweite Pandemie das Land vor völlig neue Herausforderungen stellte. Kaum war die Pandemie bewältigt, führte die Invasion in die Ukraine nicht nur zu geopolitischen Neuerungen, sondern auch zu einer Energiekrise, die vor allem die Kommunen zum Handeln zwang. Parallel dazu wurde der Druck größer, Nachhaltigkeitsmaßnahmen umzusetzen – durch europäische Vorgaben wie den Green Deal ebenso wie durch nationale Gesetzesinitiativen. Diese Aufgaben mussten gemeistert werden, während gleichzeitig die „Dauerbaustellen“ bestehen blieben: Digitalisierung, Bürokratieabbau, Modernisierung der Verwaltung. Und all das mit einer personellen und finanziellen Ausstattung, die nicht selten eher an den Status quo von gestern angepasst war als an die Herausforderungen von morgen. Nun ist seit Mai 2025 eine neue Bundesregierung im Amt. Friedrich Merz spricht von „neuen Prioritäten“ – Verteidigung, Grenzkontrollen, staatliche Handlungsfähigkeit. Alles wichtige Themen, keine Frage. Doch wer die vergangenen Jahre aufmerksam verfolgt hat, könnte sich an dieser Stelle eine Frage stellen: Hat eigentlich irgendjemand einmal „Danke“ gesagt? Danke dafür, dass all die oben genannten Aufgaben nicht nur bearbeitet, sondern häufig überhaupt erst möglich gemacht wurden? Danke dafür, dass Krisen gemanagt, Programme umgesetzt, Maßnahmen gestartet wurden – auch dann, wenn die Zielerreichung noch aussteht, weil Rahmenbedingungen sich schneller ändern als Strategien. Vielleicht lässt sich diese Leerstelle des fehlenden Danks nicht so einfach schließen. Aber sie sollte benannt werden. Denn ohne die Menschen, die all das umgesetzt haben – von der kommunalen Ebene bis zur Bundesverwaltung – gäbe es viele der Fortschritte, die heute selbstverständlich wirken, schlichtweg nicht. Auch bei der Fortbildungskampagne erleben wir in unseren Seminaren immer wieder hautnah, wie anspruchsvoll die praktische Umsetzung gesetzlicher Vorgaben ist. Wir wissen, wie kleinteilig, wie komplex und manchmal auch wie zäh Prozesse sind, wenn sie von der politischen Idee in konkrete Verwaltungsrealität übersetzt werden müssen. Und wir wissen, wie leicht dabei das Gefühl entstehen kann, dass die Mühen nicht gewürdigt werden – oder dass man sich fragt, ob es sich überhaupt gelohnt hat. Unsere Überzeugung ist: Doch, es hat sich gelohnt. Denn all diese Anstrengungen haben wichtige Grundlagen geschaffen. Sie sind das Fundament, auf dem neue Entwicklungen aufbauen können – sei es bei der Digitalisierung, der Nachhaltigkeit, bei rechtssicheren Vertragsstrukturen oder beim Aufbau effizienter Verwaltungsprozesse. Die Herausforderungen verändern sich, die Ziele verschieben sich, aber nichts von dem, was geleistet wurde, war umsonst. Genau deshalb setzen wir auch künftig dort an, wo Theorie und Praxis aufeinandertreffen. Unsere neuen Seminare greifen nicht nur aktuelle Fragestellungen auf – von Digitalisierung über Prozessoptimierung und Wirtschaftlichkeit bis hin zu Künstlicher Intelligenz –, sie richten sich auch an diejenigen, die diese Themen in der Praxis umsetzen müssen. Denn sie sind es, die Veränderungen tragen, gestalten und voranbringen. Und deshalb möchten wir an dieser Stelle etwas tun, was in den vergangenen Jahren zu selten passiert ist: Danke sagen. Für Engagement, für Ausdauer, für Pragmatismus und Kreativität. Für das, was schon erreicht wurde – und für das, was noch erreicht werden wird.
1. Oktober 2025
In unserem Beitrag " Bundesregierung beschließt Entwurf des Vergabebeschleunigungsgesetzes " haben wir den Beschluss vom 6. August 2025 mit Verweis auf den Gesetzesentwurf kurz vorgestellt. In seiner Rolle als Vortragender, Dozent und Experte für Vergaberecht hat uns Robert Thiele, Referent im Bundesministeri- um für Digitales und Staatsmodernisierung, seinen folgenden Kommentar zum Vergabebeschleunigungsgesetz mit freundlicher Genehmigung zur Veröffentlichung mitgeteilt.
1. September 2025
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22. August 2025
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